Mit einem vergoldeten Bolzen wurde 1869 im Staate Utah die letzte Lücke der transkontinentalen Eisenbahn geschlossen. Die Landwirtschaft Kaliforniens erlangte dadurch Zugang zu den Verbrauchszentren des Mittleren Westens bis hin zur amerikanischen Ostküste. Aufsehen erregte Joseph Wolfskill 1877, als er es wagte, einen ganzen Eisenbahnwaggon mit Orangen auf die Reise nach St. Louis am Mississippi zu schicken. Die Pioniertat gelang. Ob er wirklich der erste war und wie er seine Orangen verpackt hatte, wissen wir nicht genau. Jedenfalls blühte Kalifornien zum Obstgarten Amerikas auf. Stabile Holzkisten, rechteckig und stapelbar, erwiesen sich für den Transport der verderblichen Fracht als am besten geeignet. In den Anfängen trugen sie einen Schablonenaufdruck. Doch schon früh setzte sich das farbige Plakat durch, das auf die Stirnseite geklebt wurde. In knalligen Farben warben vielversprechende Darstellungen um die Aufmerksamkeit und Sympathie der Großhändler und Verbraucher. Deutschstämmige Drucker brachten die Technik der Lithographie nach Kalifornien. Namen wie Schmidt, Lehmann, Stecher, Roesch und Traung begegnen uns als Inhaber von Druckereien in San Francisco und Los Angeles, die Kistenplakate hoher künstlerischer Qualität in ausgezeichnetem Druck herstellten. Die Motive stammen aus allen Lebensbereichen: Weite Landschaften mit Orangenhainen und stattlichen Villen, Szenen aus Geschichte und Alltag, Blumen und Tiere, der Wilde Westen mit Cowboys und Indianern, Schiffe, Flugzeuge, immer wieder schöne Frauen, Persönlichkeiten Amerikas, Figuren aus Orient und Antike, kindliche Unschuld aller Alterstufen, Sport, Motive des spanisch-mexikanischen Erbes Kaliforniens. Ein Kaleidoskop breitet sich vor uns aus und gibt uns eine Vorstellung davon, wie das damalige Amerika sich und die Welt sah oder sehen wollte. Viele Motive wurden, manchmal mit Variationen, über Jahrzehnte verwandt, um sich im Bewußtsein von Einkäufern und Verbrauchern als Marke einzunisten. Etwa Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war es mit dieser Herrlichkeit jäh zuende. Holz und Handarbeit für die Kistenproduktion waren teurer geworden. Man hatte Pappe entwickelt, die den Anforderungen des Transportes genügte. Viel billigere bedruckte Faltkartons lösten über Nacht die Holzkisten mit ihren Plakaten ab. Bündelweise blieben diese in den Plantagen, den Packhäusern, den Druckereien liegen, wurden vernichtet, beiseite geräumt, auf dem Dachboden vergessen. Erst in den siebziger Jahren regte sich sammlerisches Interesse. Nach und nach wurden Schuppen durchwühlt, Archive gesichtet, frühe Sammlungen entdeckt. Heute bilden Kistenplakate aus der Zeit von 1880 bis 1960 in Nordamerika ein beliebtes Sammelgebiet. Sowohl in Museen als auch in privater Hand gibt es herausragende Sammlungen. Ausstellungen aus diesen Beständen stoßen dort immer wieder auf großes Interesse. In Europa ist diese crate art dagegen weitgehend unbekannt. OPIUM - Das Orangenpapiermuseum - in Salzgitter besitzt eine ansehnliche Sammlung. Daraus zeigen das Botanische Museum und OPIUM eine Auswahl unter dem Titel Kalifornische Kistenkunst. Die Ausstellung läuft vom 12. November 2003 bis zum 29. Februar 2004 in der Galerie des Botanischen Museums in der Königin-Luise-Straße 6 - 8. Mit dem Eintrittspreis von 1 Euro für das Museum ist auch diese Sonderausstellung in der Galerie zugänglich. |