Kennen Sie Christian Konrad Sprengel? Nein? Sie erinnern sich aber noch an
Ihren Biologielehrer, der Ihnen dereinst auf scheue Fragen nach der Vermehrung
alles Irdischen mit den Bienchen und den Blümchen kam. Was der
Biologielehrer damals erzählte, wußte er von einem Theologen. Kein
Wunder also, könnte man meinen. Doch halt! Was uns heute als so völlig
selbsverständlich erscheint, nämlich der Zusammenhang zwischen den
Bienchen und den Blümchen, galt vor 200 Jahren in der Tat als wunderbar,
denn niemand wollte so recht an das glauben, was da 1793 in Berlin erschienen
war: "Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der
Blumen" erregte Aufsehen. Prominentester Gegner Sprengels, Autor dieses
Buches, war der Herr Goethe, der ihm vorwarf, der Natur einen menschlichen
Verstand zu unterlegen.
In der Tat hatte der Spandauer Gymnasiallehrer beim Verhältnis zwischen
Blüten und Bestäubern - in erster Linie Insekten - ein recht "menschliches"
Prinzip entdeckt: Eine Hand wäscht die andere. Blüten waren nicht mehr
einfach nur schön und die Bienen nicht mehr einfach nur hungrig. Anhand
zahlreicher Untersuchungen konnte Sprengel nachweisen, "daß der Saft
dieser Blumen, wenigstens zunächst, um der Insekten willen abgesondert
werde (...)". Soviel Zielgerichtetheit der Natur konnte man sich in einer
Zeit, in der der menschliche Verstand für den Gipfel aller möglichen
Schöpfungen gehalten wurde, schlechterdings nicht vorstellen. Doch Sprengel
hatte recht. Pflanzen und Bestäuber sind aufeinander angewiesen. Und dabei
geht es nicht um irgendwas, sondern um die schiere Existenz. Denn im Laufe der
Jahrmillionen hatte eine gegenseitige Anpassung, eine Koevolution,
stattgefunden. Und nun kann die Biene gar nicht mehr anders, als sich von Blütennektar
zu ernähren. Und auch die Blume hat keine Wahl mehr. Sie muß so
gebaut sein, daß die Biene sie als Nahrungslieferant erkennt. Ein gemütliches
Plätzchen zum Speisen sollte auch vorhanden sein. Als Gegenleistung für
Nektar und Ambrosia nimmt unser Blümchen Transportdienste der Biene in
Anspruch. Sie hat nämlich den Rücken oder den Kopf ihrer Besucherin
mit Pollen gepudert; die Narben anderer Blumen streifen ihn von dort wieder ab,
die Bestäubung hat stattgefunden, und das Überleben der Blumenart ist
gesichert.
Nun sind die Bienen natürlich nicht die einzigen Bestäuber, und
die Anzahl der Blumen ist gewaltig. Vielfältig sind die Spezialisierungen.
So gibt es Käfer-, Wespen- und Fliegenblumen, Nachtfalter-, Tagfalter-,
Vogel- und sogar Fledermausblumen. Einer der wichtigsten Bestäuber in
unserern Breiten ist zweifellos die Biene, die eine Vielzahl von Blumen
verschiedener Gestalt besucht. Bevorzugt werden Blüten mit einem sicheren
Landeplatz, also Scheiben- oder Schalenblumen wie z. B. Klatschmohn oder Gänseblümchen.
Beliebt sind auch Rachenblumen, deren Unterlippe zum Verweilen einlädt.
Bekannte Beispiele sind der Eisenhut oder das Löwenmäulchen. Blau, weiß
und gelb sind die Lieblingsfarben der Biene, und einen honigartigen Duft findet
sie sehr verlockend.
Was hierzulande die Bienen, sind anderswo die Fledermäuse. In den
Tropen und Subtropen sind sie wichtige Bestäuber. Sie brauchen besonders
weite Blütenöffnungen und kräftige Blütenhüllblätter,
an denen sie sich mit ihren Daumenkrallen einhängen können. Einen
verfeinerten Geschmack kann man ihnen nicht gerade nachsagen, denn sie
bevorzugen schmutzig-trübe Farben und muffige Gerüche. Da dies nicht
gerade das Ansehen der Fledermäuse hebt, sei hier noch verraten, daß
sie erheblich zum Fortbestand einer beliebten Frucht beitragen: Die Banane gehört
zu den bevorzugten Fledermausblumen. Endlos ließe sich die Reihe der
Beispiele gegenseitiger Anpassung fortsetzen, bis hin zu den
Super-Spezialisierungen, bei denen sich nur noch eine Blüte und ein Bestäuber
gegenüberstehen.
Doch kehren wir noch einmal kurz zu Christian Konrad Sprengel zurück,
dem Entdecker des "Geheimnisses der Natur". 1750 geboren, hatte er in
Halle Theologie und Philosophie studiert und in Berlin unterrichtet. 1780 wurde
er zum Stadtschuldirektor in Spandau ernannt. Doch seine Liebe zur Botanik
kostete ihn seinen Posten. Er wurde wegen Pflichtvergessenheit entlassen. Bis zu
seinem Tode im Jahre 1816 lebte er zurückgezogen und immer noch verkannt.
Letztendlich war es dann Charles Darwin, der dem Werk Christian Konrad Sprengels
viele Jahre nach dessen Tod Anerkennung verschaffte.
[Text: S. Weiss]