Zur Jahrhundertwende war "Chikago an der Spree" einer der Spitznamen Berlins; er bringt grundlegende Merkmale dieser Stadt zum Ausdruck: es war eine junge Stadt von Zuwanderern mit einer starken Wirtschaft und einem dynamischen Lebensstil. Vieles begann hier sehr spät, so auch die Friedrich-Wilhelms-Universität. Sie nahm aber einen raschen Aufstieg, schon 1910 waren mehr als 9000 Studenten inskribiert, ungefähr 30 Nobelpreise wurden an in Berlin tätige Wissenschaftler vergeben.
Die allgemeine Aufwärtsentwicklung der Friedrich-Wilhelms-Universität, die hohen Grundstückspreise im Stadtzentrum und die schon damals erhebliche Umweltbelastung führten zu Plänen, Teile der universitären Einrichtungen in den westlichen Vorort Dahlem zu verlegen, wo ein neuer Wissenschaftsstandard entstehen sollte. Treibende Kraft war der Ministerialdirektor F. Althoff, auf ihn geht das Konzept eines "deutschen Oxford" zurück.
Als eine der ersten Institutionen wurde das königliche Botanische Museum aus Schöneberg nach Dahlem verlegt, wo dieser Einrichtung eine Fläche von 42 ha zur Verfügung standen. Damit hatte die junge Hauptstadt des jungen deutschen Reiches ein botanisches Zentrum erhalten, das die meisten derartigen Institutionen der alten Hauptstädte Europas übertraf. Eine Reihe weiterer universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen wurde später nach Dahlem verlagert oder dort gegründet - so Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das kaiserliche Reichsgesundheitsamt - doch blieben Althoffs Pläne bedingt durch den ersten Weltkrieg und die nachfolgende Wirtschaftskrise ein Torso.
Dennoch war Dahlem, vor allem in den dreißiger Jahren, weltbekannt. Hier in Dahlem gelang auch ein Experiment von weltgeschichtlicher Bedeutung - die erste Uranspaltung; sie sollte den Gang des zweiten Weltkrieges entscheidend bestimmen.
Unter von Althoff nie geahnten Umständen begann aber schon bald nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches neues Leben aus den Ruinen zu erblühen - nicht nur im Botanischen Garten Berlin-Dahlem, der nun dem Magistrat der Stadt unterstellt wurde, sondern auch in den anderen Einrichtungen. Sie wurden Kristallisationspunkte einer durch Sezession aus der Friedrich-Wilhelms-Universität hervorgegangenen, von der amerikanischen Besatzungsmacht unterstützten Neugründung - der Freien Universität Berlin. Sie nahm ihren Ausgang in Dahlem, wo sich auch noch im fünfzigsten Jahr ihres Bestehens das Zentrum befindet. Als vor vier Jahren der Botanische Garten und das Botanische Museum Berlin-Dahlem mit der Freien Universität vereint wurden, hatte diese Freie Universität eine grüne Schatzkammer dazugewonnen.
Althoff wäre mit dieser Entwicklung wohl zufrieden gewesen, handelt es sich dabei doch um ein Spitzeninstitut von Weltrang.