In einem Indianerstamm des brasilianischen Regenwaldes lebte eine junge Frau, deren Vater immer wieder von einem wunderschönen und zugleich furchterregenden, beinahe gottähnlichen Krieger erzählte, der im Mond leben sollte. Mit der Zeit glaubte die junge Frau an die Legende, verliebte sich in den Mondkrieger und wies fortan alle jungen Männer ihres Stammes ab. Alle Versuche ihrer Familie, sie mit einem geachteten und edlen jungen Mann zu vermählen, scheiterten. Die junge Indianerin wartete geduldig auf den Mond. Wenn dieser wieder einen Zyklus abgeschlossen hatte und im vollen Glanz erstrahlte, blieb sie Stunde um Stunde wach und beobachtete den Himmel, um das Gesicht ihres Geliebten zu sehen. Oft sah man sie auch mit ausgebreiteten Armen durch den Wald laufen. Sie wollte auf diese Weise die Mondstrahlen einfangen in der Hoffnung, den Krieger zu umarmen. Es gelang ihr natürlich nicht die große Liebe ihres Lebens blieb ein unerreichbarer Traum. Ihr Vater, Verwandte und Freunde versuchten das Mädchen vergeblich davon zu überzeugen, daß diese Leidenschaft reine Illusion sei. Die Monate vergingen. Immer wieder versuchte die junge Indianerin, über die Mondstrahlen Kontakt zu ihrem Geliebten aufzunehmen. Es wollte ihr einfach nicht gelingen. Eines Nachts jedoch der Mond strahlte so hell wie nie zuvor über den Wipfeln der höchsten Jacarandabäume ging sie in den Wald, wild entschlossen, dem Mondkrieger diesmal für immer zu gehören. Sie rannte weit weg von ihrem Dorf, bis sie an eine Lagune kam. Auf der Wasseroberfläche reflektierte der Mond wie in einem riesigen Spiegel. Endlich dachte das Mädchen, Mein Geliebter ist auf die Erde herabgestiegen, um hier zu baden. Ohne Zögern stürzte sie sich in das Wasser, um ihm zu begegnen. Doch das Bild des Mondes zerrann der jungen Frau unter den Händen. Als sie die Täuschung erkannte, verließ das Leben sie. Sie ertrank in der einsamen Lagune, weit weg von ihrem Dorf, ihren Verwandten und ihren Freunden. Aber die Geschichte ist hier nicht zu Ende: Die Legende erzählt, daß der Mondkrieger tatsächlich existierte. Er empfand Mitleid für die schöne junge Frau, die aus unerfüllter Liebe zu ihm gestorben war. Da er sie nicht wieder zum Leben erwecken konnte, verwandelte er sie in einen wunderschönen Erdenstern: in Victoria amazonica, die als Königin der Wasserpflanzen mit ihren riesigen Blüten bis heute den Amazonasfluss beherrscht. Es wird erzählt, daß Victoria amazonica, die ihre Blüten ja bekanntlich nur nachts öffnet, besonders schön an klaren Vollmondnächten erblüht. Wer kann daran zweifeln? |