1. Blütetag nach dem Aufblühen:
Die Blüte stinkt aasartig, die Reusenhaare auf dem Hintergrund und in
der Reuse sind steif und starr, der Wulst ist nach innen gekrümmt und der
Mund verengt den Zugang zum Kessel. Die Narbe ist klebrig, die Staubbeutel der
Staubblätter sind noch fest verschlossen: Die Blüte ist im weiblichen
Zustand und bereit zum Fliegenfangen (keine Anspielung beabsichtigt). Kleine
Fliegen werden durch den Geruch angelockt (die Farbe ist wohl eher Zufall, sie
spielt nach Experimenten anscheinend keine Rolle bei der Anlockung). Sie landen
auf der Lippe, suchen nach dem erwarteten Aas zur Eiablage und bewegen sich
dabei, dem Geruch folgend, auf den Kessel zu. Geraten sie auf den Hintergrund,
stürzen sie blitzschnell ab: er ist mit nach unten gerichteten Reusenhaaren
besetzt, die zudem noch Wachspartikel tragen, so daß die Fliege keinen
Halt mit Ihren "Krallen" findet. Das Abgleiten geschieht so schnell,
daß die Fliege nicht mehr zum Entfalten ihrer Flügel kommt. In der
Reuse kann sie ebenfalls nur in der von den Reusenhaaren erlaubten Richtung
weiter: zum Kessel. Hier läuft sie zum oberen Ende, um zusammen mit ihren
Leidensgenossen zu versuchen, zu entkommen: dort, um die Staubblatt-Narbensäule
herum, ist das Gewebe lichtdurchlässig, bildet also ein scheinbares Fenster
nach draußen. Außerdem finden sie dort ein Nektarium und versorgen
sich derweil mit Nahrung . Die Ränder der Narbenlappen sind nach außen
gebogen und, durch die Feuchtigkeit, leicht klebrig, falls also eine Fliege
Pollen von einer anderen Blüte auf dem Rücken hat, wird dieser fast
unfehlbar dort abgestreift.
Unterer Teil eines Reusenhaares von der Seite:
Das Haar kann frei nach unten klappen, aber die Verdickung verhindert eine Bewegung nach oben |
2. Blütetag:
Am Morgen des nächsten Tages ist der Geruch verschwunden, die
Reusenhaare sind verschrumpelt und bilden kein Hindernis mehr, der Wulst hat
sich gestreckt und auch der Mund hat sich vergrößert. Die
Narbenlappen haben sich einwärts gebogen, die Narbe ist trocken und schwärzlich;
die Staubbeutel sind aufgesprungen und haben die Fliegen mit Pollen eingepudert:
Die Blüte ist im männlichen Zustand. Die gesamte Innenwand des Kessels
sondert jetzt in geringen Mengen Nektar ab, so daß die Fliegen früher
oder später auch in die Nähe des Mundes kommen und entkommen können,
möglichst, um sich von einer anderen Pflanze wieder einfangen zu
lassen.....
Längsschnitt durch die Blüte von Aristolochia grandiflora:
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[Autor: W. Berendsohn, Abbildungen: aus Cammerloher (1923)]
Literatur: H. Cammerloher (1923): Zur Biologie der Blüte von
Aristolochia grandiflora Swartz. Österr. Bot. Zeitschrift 72: 180-198.