Wie eine Zauberei, ein Wunder, mutet diese fremde Pflanze an, die in eisiger
Kälte zum Blühen kommt, zu einer Zeit, in der sonst nahezu alles ruht.
Unter einer Schneehaube kann sie Temperaturen bis minus 20 Grad aushalten. In
ihrer nordamerikanischen oder ostasiatischen Heimat herrscht jetzt bereits Frühling.
Ihre Blüten kommen in milderen Wintern schon zur Weihnachtszeit zur
Entfaltung. Vier gelbe bis rötliche, fadenförmige Blütenblätter
liegen eingerollt in einem viereckigen Kelch. Oft genügen wenige
Sonnenstunden, daß sie sich abspulen und wie bizarre Papierschlangen die
blattlosen Zweige beleben. Bei Kälte rollen sie sich wieder ein. Deck-
Kelch-, und Fruchtblätter sind außen behaart. Die Haare sind im
jungen Stadium gebogen, wodurch winzige Zwischenräume entstehen, in denen
Krümmung kann sich Flüssigkeit ansammeln und das wachsende Gewebe
feucht halten. Später dann bekommen die Haare dickere Zellwände und
schützen die Knospen durch ihre wasserabweisende Schicht. Zwischen Bestäubung
und Befruchtung liegen fünf bis sieben Monate. Nach einem Jahr sind die
zweifächrigen Kapselfrüchte entwickelt. Sie werden also gerade dann
reif, wenn der Strauch erneut blüht. Die Kapseln öffnen sich mit
solcher Heftigkeit, daß die Samen bis zu 4 m weit fortgeschleudert werden.
Im Englischen heißt sie witch hazel, Hexenhasel, weil sie
dem Haselnußstrauch ähnelt. Linné gab der Gattung 1742 den
Namen Hamamelis. Die Familie der Zaubernußgewächse ist aber viel älter.
Vor 70 Millionen Jahren, in der Kreidezeit, war sie weit verbreitet. Heute kennt
man 32 Gattungen mit 143 Arten.
Die Zaubernuß war bei den Indianern ein bekanntes Heilmittel. Bei uns
werden noch heute Blätter und Rinde der Hamamelis virginiana wegen ihrer
adstringierenden Wirkung in kosmetischen und pharmazeutischen Produkten
verwendet. Und sollten Sie auf der Suche nach einer neuen erfrischenden Quelle
sein: als Wünschelrute kann man sie auch einsetzen.
[Text: R. Ebinghaus]