Wo man hinschaut, sieht man in Parkanlagen und auf Friedhöfen -- und natürlich hier im Botanischen Garten
- Eiben. Warum wurde also die
Eibe zum Baum des Jahres 1994 gewählt?
So vertraut der Anblick der kultivierten Gartenformen der Eibe ist, so
selten ist sie in unserer natürlichen Waldflora geworden. Bereits seit 100
Jahren ist die wild wachsende Eibe in Brandenburg verschwunden. Etwas besser
sieht es in Thüringen, Sachsen und den küstennahen Bereichen
Mecklenburgs aus.
Bis ins frühe Mittelalter jedoch war die Eibe ein Charakterbaum der
germanischen Wälder. Germanen und Kelten verehrten den immergrünen
Baum, denn er sollte Krankheit und Unheil abwehren; heilige Plätze wurden
von Eiben gesäumt.
Schon in der jüngeren Steinzeit wurden z.B. von den Bewohnern der
Schweizer Pfahlbauten das zähe Holz zu Bogen, Schüsseln, Messern, u.ä.
verarbeitet. Auch die Germanen stellten aus dem dauerhaften und elastischen Holz
Bogen und Pfeile her. Die Folge: bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert waren
kaum mehr schlagbare Eiben vorhanden.
Eiben wachsen sehr langsam. Der Stammdurchmesser nimmt im Jahr nur 1-2 mm
zu; er kann allerdings bis zu 1 m dick werden, wenn er aus mehreren Stämmen
zusammengewachsen ist. Mit ihren mehrwipfeligen und unregelmäßig
breit ausladenden Kronen können Eiben bis 20 m hoch werden. Die Nadeln sind
dunkelgrün, auf der Unterseite jedoch matt hellgrün. Die hartschaligen
braunschwarzen Samen werden von einem roten saftigen Mantel umgeben.
Dieser rote Mantel ist der einzige nicht giftige Teil der Eibe, alle anderen
also Holz, Rinde, Nadeln und Samen enthalten ein hochgiftiges Alkaloid-Gemisch.
100 Gramm Eibennnadeln sind in der Lage, ein Pferd zu töten! Amseln,
Drosseln und Stelzen verdauen nur den roten Samenmantel, denn der giftige Samen
wird wieder ausgeschieden. Somit ist für die Verbreitung der Eiben gesorgt.
Damit die Eibe in unseren Wäldern wieder groß werden kann, müssen
wildwachsende Jungpflanzen trotz ihrer Giftigkeit vor Wildverbiß geschützt
werden.
Ihr gutes Ausschlagsvermögen und ihre Formbarkeit bewirkte, daß
sie viel in barocken Gartenanlagen gepflanzt wurde. Auch in unserem
Italienischen Garten stehen kegelförmig beschnittene Eiben sowie die 12 Kurfürsten-Eiben",
die 200 - 300 Jahre alt sein sollen!
[Text: R. Scheer & R. Jahn, 1994]