Kurzinfo Herbar

"Dem Botaniker ist ein Herbarium notwendig. Das Herbarium ist sein lebendiges Gedächtnis, darin liegt ihm zu jeder Zeit die Natur zur Ansicht, zur Vergleichung, zur Untersuchung vor." So beschreibt Adelbert von Chamisso die Aufgabe der Herbarien in seinem 1827 erschienenen Botanik-Lehrbuch, das er als "Aufseher der öffentlichen Kräutersammlung" in Berlin verfasst hatte. Diese Aussage ist noch heute gültig: Die wiederholte "Ansicht" von Pflanzen beim Pressen für das Herbar ist der beste Weg, umfassende Formenkenntnis in der Pflanzenwelt zu erlangen. "Zur Vergleichung" benötigt man das bereits identifizierte Herbarmaterial sehr häufig, wenn man Pflanzen eindeutig bestimmen will. Ohne großen Aufwand praktisch unbegrenzt haltbar sind Herbarbelege sehr gut "zur Untersuchung" geeignet. Sie bilden deshalb die wichtigste Grundlage der Forschung auf dem Gebiet der systematischen Botanik.

Herbarbeleg Das Herbarium (auch kurz Herbar genannt), d.h. die Sammlung gepresster und getrockneter Pflanzen, bildet den größten und bedeutendsten Bestandteil der wissenschaftlichen Sammlungen der Forschungseinrichtung Botanisches Museum. Neben den Blütenpflanzen umfasst sie Vertreter aller Pflanzengruppen, wie Algen, Pilze, Flechten, Moose, und Farne. Da sich nicht alle Pflanzen bzw. deren Teile auf die gleiche Art präparieren lassen, wird das Herbar durch verschiedene Sondersammlungen ergänzt. Dazu gehören u.a. die Frucht- und Samensammlung (große Trockenfrüchte und Samen), die Nasspräparatesammlung (z.B. große Blüten, fleischige Früchte, Knollen usw., die in Alkohol oder Formol konserviert sind) sowie die Zapfen- und Holzsammlung.

Die Geschichte des Berliner Herbariums begann im Jahre 1818 mit dem Ankauf der Sammlung des 1812 verstorbenen Direktors des damals in Schöneberg gelegenen Botanischen Gartens, Carl Ludwig Willdenow, dessen Herbar über 20.000 Arten enthielt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges wuchs die Sammlung beständig und gehörte zu dieser Zeit mit rund 4 Millionen Exemplaren zu den 5 bedeutendsten Herbarien der Welt. Am 1. März 1943 wurde das Botanische Museum bei einem Luftangriff schwer getroffen, und das Herbar sowie die Bibliothek wurden ein Opfer der Flammen. Nur rund 500.000 Exemplare wurden gerettet und bildeten den Grundstock für den Wiederaufbau. Durch großzügige Geschenke, Ankäufe, Tausch und eigene Sammlungen erreichte der Bestand bis heute ca. 3 Millionen Exemplare, wodurch das Herbar wieder zu den 15 größten der Welt zählt. Die Überführung des Herbariums der Humboldt-Universtät mit fast 300.000 Exemplaren im Jahre 1993 an unser Museum ist hier besonders zu erwähnen.

Wie schon erwähnt, ist das Herbar ein unersetzliches Arbeitsinstrument für die Forschung auf den Gebieten der Pflanzengeographie und Systematik der Pflanzen. Es ist auch einem Archiv vergleichbar, in dem man die Ergebnisse früherer Untersuchungen jederzeit anhand der hier deponierten Belege nachprüfen kann. Für die wissenschaftliche Bearbeitung einer Pflanzengruppe ist es nicht ausreichend, wenn nur das eigene Herbarmaterial untersucht wird. Es müssen vielmehr neben dem Studium lebender Pflanzen auch die Belege anderer Herbarien berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck wird das Herbarmaterial der untersuchten Pflanzengruppe aus mehreren Instituten ausgeliehen oder am Ort studiert. Das Botanische Museum verschickte beispielsweise 1993 über 8.000 Exemplare an in- und ausländische Forschungsinstitute zur Bearbeitung durch Spezialisten. Ebenso wird von den Wissenschaftlern unseres Museums für verschiedene Forschungsvorhaben Herbarmaterial von meist ausländischen Herbarien ausgeliehen.
[Text: P. Hiepko]

Mehr Informationen zum Herbar (Englisch)
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Seitenverantwortliche, Stand (diese Seite): 18. August 2010
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