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Bonsai - Japanische Miniaturbäume und Miniatursträucher

Die Anfänge der Bonsai-Kultur reichen zurück bis in die Muromachi-Periode (1392-1573). Die alte Kaiserstadt Kyoto war damals Hauptstadt. Der in zwei Lager gespaltene Kaiserliche Hof vereinte sich kurz wieder, da das Shogunat (Militärregierung) wieder an Macht gewann. Es entstanden in dieser Zeit - außer Bonsai - der Zen-Buddhismus, das Kabuki-Theater, Ikebana, die Kunst des Blumensteckens und Cha-do, die Teezeremonie. Bonsai in der heutigen Form gibt es jedoch erst seit Anfang der Meji-Zeit (1870). Verwendet werden heute Arten folgender Gattungen:

Chamaecyparis
Cryptomeria
Ginkgo
Juniperus
Chrysanthemum
Picea
Taxodium
Taxus
Acer
Amelanchier
Carpinus
Chaenomelis
Punica
Cotoneaster
Euonymus
Fagus
Gardenia
Ilex
Malus
Polygonum
Prunus
Pinus
Rhododendron
Rhus
Salix
Wisteria

Zur Kultur:
Man unterscheidet sieben verschiedene Arten der Vermehrung bzw. der Beschaffung:

  • Sammeln von am natürlichen Standort verkrüppelten Pflanzen (extreme Standorte, wie Gebirge, Meeresstrand, Windformen). Sofortiger Wurzelschnitt fördert die Bildung von vielen Nebenwurzeln im Bereich des Wurzelhalses. Oberirdische Formung nach 2 Jahren. Fertiger Bonsai nach 4 Jahren.
  • Aussaat im Frühjahr, nach 6-12 Monaten topfen, nach weiteren 12 Monaten Beginn der Formung. Fertiger Bonsai nach 10-15 Jahren.
  • Stecklinge bzw. Steckhölzer im Frühjahr bzw. Herbst. Bewurzelung nach 6-12 Monaten. Fertiger Bonsai nach 4-6 Jahren.
  • Pfropfung von 4-5 cm langen, mit 1-2 Augen versehenen Reisern auf eine 2-3 Jahre alte Unterlage, endständig oder im seitlichen Spalt. Fertiger Bonsai nach 6-8 Jahren.
  • Ableger durch Einschneiden mittels einer Kupferdrahtschlinge oder durch Schälen der Rinde und Bedecken dieser Stelle mit Sphagnum, Lehm oder Ton.
  • Absenker durch zur Erdoberfläche niedergebogene lange Zweige.
  • Teilung bei Arten, die Ausläufer, Sprossknollen oder Rhizome bilden. Fertiger Bonsai nach 4 Jahren.

Die Weiterkultur wird in Töpfen oder flachen Schalen durchgeführt.
Vier Faktoren sind hierbei von Wichtigkeit: Sonne, Luft, Wasser, keine extremen Temperaturen. Im Sommer stehen sie draußen, nicht auf der Erde, sondern etwas erhöht (in Japan auf Holzlatten-Stellagen), nie unter Glas, bei starker Sommerhitze leicht schattiert, vor Wind geschützt. Sie werden häufig abgebraust, bei Bedarf werden die Gefäße getaucht.
Außerdem werden Bonsai wöchentlich einmal etwas gedreht (hierbei ist der Japaner sehr genau). Im Winter werden sie hell und frostfrei gehalten.
Koniferen werden alle 3-5 Jahre umgepflanzt (über 100 Jahre alte Exemplare alle 10 Jahre) und dikotyle Pflanzen alle 2-3 Jahre (März oder September).
Hierbei werden entfernt (auch dabei ist der Japaner sehr genau): von den Seiten der Ballen 2/3 Erde und 1/3 der Wurzeln, von der Ballenunterseite 1/2 Erde und 1/4 der Wurzeln.
Das Faszinierendste am Bonsai ist jedoch die Formgebung, die Jahrzehnte dauern kann. Mittels Kupferdraht-Wickelungen, Eisenzwingen oder durch starken Schnitt erhält man die bizarrsten Formen. Man unterscheidet hierbei 32 verschiedene Stilarten, die sich wiederum in folgende vier Bereiche aufgliedern:

  • Gestalt des Stammes; mit einem Stamm
  • Gestalt des Stammes; mit mehreren Stämmen aus einer Wurzel
  • Gruppenpflanzung; 2 und mehr Pflanzen mit jeweils eigenen Wurzeln
  • Übergang vom Bonsai zur Miniatur-Landschaft; hierbei können dann auch Steine Verwendung finden.

Insgesamt gesehen, ist die Kunst Bonsai zu ziehen eine typisch asiatische: man braucht Geduld, viel Zeit und wohl auch eine andere Denkensweise. Ein Japaner kann völlig versunken vor einem Bonsai stehen, nicht nur betrachtend, wohl auch meditierend.
[Text: Werner Schwarz, 1998]

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© Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Freie Universität Berlin
Seitenverantwortliche, Stand (diese Seite): 18. August 2010
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