VORWORT ZUR ENGLISCHEN FASSUNG
Die vorliegende neue Auflage des Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur erscheint, wie die unmittelbar vorausgehende, nur in englischer Sprache (in britischem, nicht amerikanischem Englisch, wo Unterschiede bestehen). Französische, deutsche und japanische Fassungen des Berliner Code wurden gesondert herausgegeben, und voraussichtlich werden zumindest eine französische und eine deutsche Fassung des Tokio-Code erscheinen.
Der Tokio-Code unterscheidet sich allerdings sehr deutlich vom Berliner Code. Die Gründe für diesen Unterschied sind zwei: Der eine liegt in der Anordnung und anderen formalen Aspekten, der zweite betrifft den Inhalt.
Was zunächst die Anordnung betrifft, so stimmte der Tokio-Kongreß der Streichung des Großteils von Kapitel V zu, welches die "Beibehaltung, Wahl und Verwerfung von Namen und Epitheta" betraf, wobei er Inhalte, die nicht schon anderswo im Code behandelt werden, zu anderen Artikeln, insbesondere Art. 11, verlagerte. Da fünf weitere Artikel im letzten Teil des Code schon von früheren Kongressen gestrichen worden waren (zwei in Leningrad, 1975; einer in Sydney, 1981; und zwei in Berlin, 1987), blieben ab Art. 50 lediglich elf Artikel übrig, obschon die Numerierung bis 76 reichte. Aus diesem Grund, und auch weil für diese Auflage ein völlig neues Sachregister vorbereitet wurde, kam der Herausgeber-Ausschuß zum Schluß, daß eine Neunumerierung der Artikel im letzten Teil des Tokio-Code im Interesse der Klarheit unerläßlich war. Diese Umnumerierung erfolgte, eingedenk der üblichen Empfehlung der Nomenklatur-Sektion, "die Numerierung der Artikel und Empfehlungen soweit als möglich zu erhalten", in der Weise, daß nur die Artikel mit den Nummern 50 und darüber die Nummer wechselten; dank einer Änderung in der Reihenfolge konnte überdies der häufig zitierte Art. 59, "Die Namen von Pilzen mit pleomorphem Entwicklungsgang", seine hergebrachte Nummer behalten. Der letzte Artikel ist jetzt Art. 62, da durch die Zweiteilung des früheren Art. 69 ein zusätzlicher Artikel geschaffen wurde (siehe unten).
Der Herausgeber-Ausschuß benutzte diese Gelegenheit auch, um die Regeln zur Typisierung und wirksamen Veröffentlichung zu verdeutlichen, indem er Art. 7-10 bzw. 29-31 logischer anordnete. Art. 7 betrifft jetzt allgemeine Aspekte der Typisierung, Art. 8 die Typisierung der Namen von Arten und infraspezifischen Taxa, Art. 9 die verschiedenen Typuskategorien für solche Namen, und Art. 10 die Typisierung von Namen oberhalb des Artranges. Art. 29 behandelt neu die wirksame Veröffentlichung im allgemeinen, Art. 30 Sonderfälle und Art. 31 das Datum der wirksamen Veröffentlichung.
Unter den bekannteren Artikeln, deren Nummer geändert wurde, findet sich der frühere Art. 63 betreffs überflüssiger Namen, nun Art. 52; und der vormalige Art. 69 über nomina rejicienda, der neu Art. 56 und 57 entspricht (siehe unten). Ein tabellarischer Schlüssel verdeutlicht die Unterschiede in der Numerierung von Artikeln und Empfehlungen, wie auch ihrer einzelnen Absätze und Anmerkungen, zwischen dem Tokio-Code und dem Berliner Code. Zwischen dem 1969 beschlossenen Seattle-Code und dem Berliner Code war die Artikelnumerierung praktisch unverändert geblieben. Im Seattle-Code findet man einen "Schlüssel zur Numerierung der Artikel und Empfehlungen" für die fünf Auflagen des Code von Stockholm (1952) bis Seattle (1972), und im Stockholmer Code einen ähnlichen Schlüssel, der seine Anordnung mit jener der Cambridge-Regeln (1935) vergleicht.
In der vorliegenden Auflage des Code ist der Hauptteil in drei verschiedenen Schriftgraden gedruckt, wobei die Empfehlungen und Anmerkungen in etwas kleinerer Schrift als die Regeln erscheinen und bei den Beispielen die Schrift noch kleiner ist. Dies unterstreicht den Unterschied zwischen den Regeln selbst (im wesentlichen den Artikeln), den ergänzenden und beratenden Teilen (den Anmerkungen und Empfehlungen) und dem überwiegend erklärenden Material (den Beispielen): Während das Wesen von Artikeln, Empfehlungen und Beispielen im allgemeinen richtig verstanden wird, vor allem nachdem nun die verbindlich beschlossenen Beispiele als solche gekennzeichnet sind (siehe unten), ist die Rolle der Anmerkungen weniger klar. Eine Anmerkung im Code bringt, ähnlich wie ein Artikel, etwas Verbindliches zum Ausdruck; sie unterscheidet sich jedoch von einem Artikel dadurch, daß sie keine neue Vorschrift und keinen neuen Grundgedanken einführt, sondern lediglich etwas ausspricht, was dem Benutzer nicht bewußt sein mag, was aber anderswo im Code ausdrücklich oder implizite geregelt ist.
Der Inhalt ist jedoch viel wichtiger als die Anordnung und Form, wenn auch letztere bisweilen mehr ins Auge fällt. Denkwürdig am Tokio-Kongreß war, daß die Konservierung von Artnamen und die Verwerfung aller Namen, welche nachteilige Veränderungen in der Nomenklatur verursachen würden, jeweils durch überwältigende Mehrheit mit Handzeichen beschlossen wurden. Wer sich der knappen Mehrheiten erinnert, mit welchen die Konservierung der Namen von Arten mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung sowie von Namen, welche für den Typus eines geschützten Gattungsnamens stehen, in Sydney bzw. Berlin ermöglicht wurden, wird der grundlegenden Änderung gewahr, welche sich in Jokohama bezüglich der botanischen Nomenklatur vollzog. Dieser Code ist nicht mehr ein Hindernis für die Erhaltung einer stabilen Nomenklatur, sondern er ermutigt dazu (siehe auch Greuter & Nicolson in Taxon 42: 925-927. 1993).
Die Beschränkungen bezüglich der Konservierung von Artnamen wurden dementsprechend aus Art. 14.2 getilgt. Genau wie bei Gattungs- und Familiennamen wird nun bei Artnamen durch Konservierung ganz einfach die Beibehaltung derjenigen Namen bezweckt, "die am besten der Beständigkeit der Nomenklatur dienen". Nachdem der Tokio-Kongreß in Ergänzung des bisherigen Art. 69 beschloß, die Verwerfung jeglicher Namen zu ermöglichen, "die nachteilige Veränderungen in der Nomenklatur verursachen würden", hätte sich dieser Artikel nunmehr auf zwei deutlich verschiedene Sachverhalte bezogen; er wurde deshalb zweigeteilt. Zunächst behandelt der neue Art. 56 den allgemeinen Fall (d.h., Vermeidung jeglicher nachteiliger Veränderung in der Nomenklatur) und nennt, wie der frühere Art. 69.2, die Prozedur, durch welche Namen verworfen werden können. Der neue Art. 57 befaßt sich danach mit dem spezielleren Fall, auf welchen sich der frühere Art. 69 beschränkte: Namen, die "oft und andauernd für ein Taxon oder für Taxa verwendet wurden, die den Typus des Namens nicht einschließen". Solche Namen sind auch weiterhin nicht verfügbar für eine Verwendung in vom üblichen Gebrauch abweichendem Sinne, solange kein Vorschlag zu ihrer Konservierung gemäß Art. 14 oder Verwerfung unter den Bestimmungen des neuen Art. 56 unterbreitet und abgelehnt worden ist. Die Trennung in Art. 56 und 57 verdeutlicht die Anweisung des Code (bisher in Art. 69.4), solche Namen nicht in einem vom üblichen Gebrauch abweichenden Sinne zu verwenden, solange der zuständige Ausschuß eine solche Verwendung nicht ermöglicht hat.
Es ist besonders bemerkenswert, daß die Nomenklatur-Sektion in Jokohama, eingedenk der Bedeutung der erweiterten Bestimmungen zur Konservierung und Verwerfung von Namen zur Sicherung der Stabilität in der Nomenklatur, eine Resolution mit folgendem Wortlaut faßte: "Die Sektion fordert den allgemeinen Ausschuß und durch ihn alle ständigen Nomenklatur-Ausschüsse dazu auf, von den neuen Möglichkeiten, welche der Code nunmehr zur Sicherung von Klarheit und Stabilität der Nomenklatur bietet, vollen Gebrauch zu machen." Es liegt in der Verantwortung der einzelnen Benutzer des Code, zur Verwirklichung einer klareren und stabileren Nomenklatur beizutragen, indem sie zweckentsprechende Konservierungs- oder Verwerfungsvorschläge machen, statt Namen aus rein nomenklatorischen Gründen zu ändern (siehe auch die unten genannte Kongreß-Resolution).
Auch ein völlig neues Konzept wurde in diese Auflage des Code mit aufgenommen: sekundäre Typen, welche der Interpretation ursprünglicher Typen dienen, die für eine präzise Anwendung des Namens nicht mit genügender Sicherheit deutbar sind. Im ursprünglichen Vorschlag war der Begriff "Protypus" für ein solches Exemplar oder eine solche Abbildung verwendet worden, doch beauftragte die Nomenklatur-Sektion den Herausgeber-Ausschuß mit der Festlegung des am besten geeigneten Fachausdrucks. Der Ausschuß wählte "Epitypus", da dieses Wort den Sinn ("über dem Typus stehend") besser zum Ausdruck bringt und weil "Protypus" früher in anderen Bedeutungen verwendet wurde. Die neue Vorschrift findet sich in Art. 9.7.
Weitere bedeutsame, vom Tokio-Kongreß beschlossene Ergänzungen, welche neu in den Code eingefügt wurden, sind: die Bestimmung, daß der Begriff "Stamm" als Alternative zu "Abteilung" verwendet werden darf (Art. 4.2); die Vorschrift, daß vom 1. Januar 2000 an (unter der Voraussetzung der Bestätigung durch den XVI Internationalen Botanischen Kongreß) neue Namen registriert werden müssen (Art. 32.1); die Bezeichnung von "zu unterdrückenden Werken", in welchen Namen bestimmter Kategorien als nicht gültig veröffentlicht gelten (Art. 32.8 und der neue Anhang V); und das Erfordernis, daß vom 1. Januar 1996 an der Name eines neuen Taxons fossiler Pflanzen, um gültig veröffentlicht zu sein, von einer lateinischen oder englischen Beschreibung oder Diagnose oder vom Verweis auf eine solche begleitet sein muß und nicht wie bisher irgendeine Sprache zulässig ist (Art. 36.3). Eine eingehende Überarbeitung von Art. 46 hat geklärt, unter welchen Umständen die Partikel "ex" in Autorzitaten verwendet werden darf, und hat bekräftigt, daß die Präposition "in" samt allem, was danach folgt, bibliographischer Natur ist und nicht zum Autorzitat gehört. Einer der in Abteilung III aufgeführten ständigen Nomenklatur-Ausschüsse (der Ausschuß für Bastarde) wurde abgeschafft, und einer wurde neu benannt (der Ausschuß für Fungi und Lichenes, nunmehr Ausschuß für Fungi).
Bisweilen haben Nomenklatur-Sektionen bestimmte Beispiele angenommen, um nomenklatorische Verfahrensweisen zu regeln in Fällen, in welchen der betreffende Artikel im Code verschiedene Deutungen zuläßt oder die Frage offen läßt (sog. "verbindliche Beispiele"). Ein solches Beispiel, welches der Tokio-Kongreß billigte, ist Art. 8 Ex. 1. Es verdeutlicht einen bisher umstrittenen Punkt: Daß in "stoffwechselinaktivem Zustand dauerhaft konservierte" Kulturstämme als "dauerhaft konserviert" gelten (Art. 8.2) und deshalb, obschon sie in gewissem Sinne "lebende Pflanzen oder Kulturen" sind, als Typen dienen können. Dadurch wird die Vorgehensweise insbesondere von Hefesystematikern regelgemäß. Normalerweise hat der Herausgeber-Ausschuß die Kompetenz, Beispiele zu streichen, zu verändern oder hinzuzufügen, um den Code zu verdeutlichen, doch diese Vollmacht erstreckt sich nicht auf die verbindlichen Beispiele, welche der Herausgeber-Ausschuß beibehalten muß, unabhängig davon, ob sie tatsächlich die Regel veranschaulichen. Gemäß einer in Jokohama gemachten Anregung, die verbindlichen Beispiele möchten deutlich gekennzeichnet werden, wurde nunmehr vor jedem von ihnen ein Sternchen (*) eingefügt.
Obschon die dem Tokio-Kongreß unterbreiteten Vorschläge, den Schutz von Namen (oder Namensattributen, z. B. Typen) auf genehmigten Listen zu ermöglichen (die "NCU-Vorschläge"), nicht die zur Annahme benötigten 60 % Ja-Stimmen erhielten, war doch die Sektion besonders beeindruckt durch die Nützlichkeit der Artennamen-Liste für die Trichocomaceae (einschließlich Aspergillus und Penicillium) für die Erhaltung einer stabilen Nomenklatur in dieser Gruppe. Deshalb nahm die Sektion folgende Resolution an, durch welche beim Gebrauch von Namen in jener Familie die Anwendung des Code wenn nötig außer Kraft gesetzt wird: "Angesichts des Umstandes, daß die ,List of names in current use in the Trichocomaceae (Regnum Veg. 128: 13-57. 1993) von der Internationalen Kommission für Penicillium und Aspergillus der Internationalen Union Mikrobiologischer Gesellschaften (IUMS) schon genehmigt worden ist, fordert die Nomenklatur-Sektion die Systematiker auf, keine Namen aufzugreifen, welche mit den dort aufgelisteten Namen konkurrieren oder den Sinn, in dem sie verwendet werden, ändern würden."
Abgesehen vom schon erwähnten, zusätzlichen Anhang V blieben die Anhänge die gleichen wie im Berliner Code. Anhang I behandelt die Namengebung der Bastarde; Anhang IIA zählt die geschützten Familiennamen der Algen, Pilze und Pteridophyten auf, welche nur gegen die ausdrücklich verworfenen Namen Schutz genießen, und Anhang IIB jene der Bryophyten und Samenpflanzen, welche gegen alle nicht selbst konservierten konkurrierenden Namen geschützt sind; Anhang IIIA zählt die konservierten Gattungsnamen und die entsprechenden verworfenen Namen auf, Anhang IIIB in gleicher Weise die Artnamen; und Anhang IV ist die Liste der gemäß Art. 56 (früher Art. 69) verworfenen Namen. Innerhalb dieser Anhänge erwies sich eine gewisse Neuordnung als erforderlich, teilweise infolge der zunehmenden Zahl der von Konservierung betroffenen Algenklassen (wovon in diesem Code zwei zusätzliche auftauchen), teils auf Grund des gegenwärtigen und voraussehbaren Wachstums einiger der kleineren Anhänge (insbesondere Anh. IIIB und IV). In allen diesen Anhängen werden nunmehr sechs Hauptgruppen unterschieden und durch jeweils gleiche Großbuchstaben gekennzeichnet: A für die Algen, B für die Pilze, C für die Bryophyten, D für die Pteridophyten, E für die Samenpflanzen und F für die fossilen Pflanzen. In Anhang IIIA werden überdies arabisch numerierte Untertitel für die Algen- und Bryophytenklassen verwendet. Innerhalb dieser Haupt- und Untergruppen sind die geschützten Namen alphabetisch geordnet, mit Ausnahme der Gattungsnamen der Samenpflanzen, bei welchen die Familieneinteilung und das Nummernsystem von Dalla Torre & Harms für dieses Mal noch beibehalten wurden. Es wurde klargestellt, daß in Anhang IIIA alle Namen von Kieselalgen (ob mit fossilem oder nichtfossilem Typus und unabhängig davon, ob die Gattungen rezente Arten umfassen, unter den Bacillariophyceae und nicht zusammen mit den übrigen fossilen Pflanzen aufgeführt werden.
Das Vorgehen beim Herausgeben dieser Auflage des Code folgte der in Abteilung III des Code dargelegten Prozedur und den seit dem Pariser Kongreß (1954) herausgebildeten Traditionen. Die veröffentlichten Verbesserungsvorschläge, mit den Kommentaren der Rapporteurs, wurden in einer "Synopsis of proposals" zusammengefaßt (Taxon 42: 191-271. 1993). Die Ergebnisse der vorläufigen brieflichen Abstimmung über diese Vorschläge, ein völlig unverbindliches, aber sehr hilfreiches Meinungsbild, waren bei der Registrierung zur Nomenklatur-Sektion des Tokio-Kongresses im Kongreßzentrum von Pacifico (Jokohama, Japan) verfügbar. Die Sektion tagte vom 23. bis zum 27. August, unmittelbar vor den normalen Sitzungen des Kongresses, und befand über die 321 vorliegenden Vorschläge, von welchen sie 82 annahm und 42 dem Herausgeber-Ausschuß zum Zweck der Änderung des Code überwies. Die Beschlüsse der Sektion wurden durch eine Resolution an der abschließenden Plenarsitzung des Kongresses am 3. September 1993 gebilligt (siehe unten) und wurden mit diesem Datum verbindlich. Eine Liste der Beschlüsse wurde, zusammen mit dem Ergebnis der vorläufigen brieflichen Abstimmung, abgedruckt (in Taxon 42: 907-922. 1993). Eine vorläufige Niederschrift der vollständigen Bandaufnahmen der Nomenklatur-Sitzungen, welche Fred Barrie, Werner Greuter und John McNeill besorgten, lag allen Mitgliedern des Herausgeber-Ausschusses beim Treffen im Januar 1994 vor. Der ausführliche Bericht über die Verhandlungen der Nomenklatur-Sektion, welcher das Wesentliche der Diskussionen und anläßlich der Tagungen geäußerten Kommentare enthält, erschien seither als gesonderter Band (Englera 14, 1994).
Es ist die Pflicht des von der Sektion (traditionsgemäß aus den bei den Verhandlungen Anwesenden) gewählten Herausgeber-Ausschusses, die Kongreßbeschlüsse in den Code einzuarbeiten sowie jegliche rein formale Änderung vorzunehmen, die für eine glatte, widerspruchsfreie, exakte und klare Lesbarkeit vorteilhaft ist. Die Zusammensetzung des Herausgeber-Ausschusses ändert sich normalerweise bei jedem Kongreß etwas, und dies war auch hier der Fall. Zwar blieben die Ämter des Vorsitzenden und Sekretärs unverändert, da am Tokio-Kongreß weiterhin Werner Greuter als Rapporteur-général und John McMeill als Vize-Rapporteur fungierten, doch verlor der Ausschuß drei seiner früheren Mitglieder, Riclef Grolle, Frans Stafleu und Ed Voss, von denen die zwei letztgenannten dem Herausgeber-Ausschuß während mehrerer Amtszeiten gedient hatten. Frans Stafleu war Vize-Rapporteur und Sekretär des Herausgeber-Ausschusses von 1954 bis 1964, Rapporteur-général und Vorsitzender des Ausschusses von 1964 bis 1979 und kehrte als Präsident der Nomenklatur-Sektion in Berlin 1987 in den Ausschuß zurück, um den Berliner Code vorzubereiten; während Ed Voss dem Ausschuß seit 1964 ununterbrochen angehört hatte, als Vize-Rapporteur und Sekretär des Ausschusses von 1964 bis 1979, als Rapporteur-général und Vorsitzender des Ausschusses für den 1981er Kongreß in Sydney, und als Ausschußmitglied für den Berliner Code. Ihre Erfahrung wurde sicherlich vermißt, doch war der Ausschuß gut bedient mit ihren Nachfolgern: Fred Barrie vom Missouri Botanical Garden (derzeit an das Field Museum in Chicago abgeordnet); Per Magnus Jřrgensen von der Universität in Bergen; und Piers Trehane in Wimborne, Dorset, U.K. (der als Ersatz für Alan Leslie von der Royal Horticultural Society in Wisley, U.K., der in Jokohama in den Ausschuß gewählt worden war, aber nicht mitmachen konnte, kooptiert worden war); von denen jeder sich sehr wirksam an der Arbeit des Ausschusses beteiligte.
Nachdem ein erster Entwurf des Textes des neuen Code vorab verteilt worden war, traf sich der Herausgeber-Ausschuß am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem vom 2. bis zum 7. Januar 1994. Sämtliche 11 Mitglieder des Ausschusses waren bei diesem entscheidenden Treffen anwesend, wo die klarste und bündigste Art, die Beschlüsse der Nomenklatur-Sektion im Code zu formulieren, so gründlich wie möglich ausgelotet wird. Zahllose redaktionelle Einzelheiten müssen besprochen werden, um sicherzustellen, daß das Werk im Endergebnis für alle Benutzer, ohne Rücksicht auf ihre Muttersprache, unmißverständlich ist. Dem Herausgeber-Ausschuß ist bewußt, daß vollständige Klarheit und Einheitlichkeit kaum erreicht werden können. Manche Beispiele ungenauer, widersprüchlicher oder sonstwie unbefriedigender Formulierung mögen noch stets im Code verbleiben. Jede Bestrebung, einzelne Punkte zu klären, könnte zur Ausweitung oder Einengung der Wirkung des Code führen, je nachdem, wie man den gegenwärtigen Text interpretiert, und würde deshalb die Befugnisse des Herausgeber-Ausschusses überschreiten.
Die Art und Weise, in welcher einige oder alle wissenschaftlichen Namen in gedrucktem Text hervorgehoben werden, unterscheidet sich wesentlich je nach Land und Sprachtradition. Vielleicht als Folge davon waren die verschiedenen Ausgaben des Code in dieser Beziehung ungleichförmig. Im Bestreben nach Gleichmäßigkeit sind im Sydney-Code und Berliner Code alle wissenschaftlichen Namen im Rang der Familie und darunter, also diejenigen, für welche die Prioritätsregel verbindlich ist, kursiv gedruckt. Der gegenwärtige Herausgeber-Ausschuß erkannte, daß dieses Vorgehen eher unlogisch war, und im Tokio-Code sind alle wissenschaftlichen Namen, welche den Bestimmungen des Code unterliegen, kursiv gedruckt, während formlose Bezeichnungen in Normaldruck erscheinen. So sind zum Beispiel in Art. 13.1 (d) die Ordnungsnamen Uredinales, Ustilaginales usw. kursiv gedruckt, nicht aber der formlose Gruppenname "Pilze". Der Herausgeber-Ausschuß betrachtet dies als die bestgeeignete Darstellungsform in einem Nomenklatur-Code, hegt jedoch nicht die Absicht, dies als einen zu befolgenden Standard für andere Veröffentlichungen zu empfehlen, welche vielleicht abweichende, oftmals ehrwürdige herausgeberische Traditionen befolgen.
Einheitlichkeit im Code bezüglich des bibliographischen Stils und der bibliographischen Einzelheiten zu erzielen auf eine nicht verwirrende und allen Benutzern angenehme Weise, war eines unserer Hauptanliegen als Herausgeber. Standardisierungshilfen sind nun verfügbar, welche es vor einigen Jahren noch nicht gab und welche verschiedene Datenkategorien so gut wie vollständig und mit hohem Qualitätsstandard erfassen. Für die Abkürzung von Buchtiteln haben wir uns konsequent nach "TL-2" (Stafleu & Cowan, Taxonomic literature, ed. 2; mit Suppl. 1 und 2 von Stafleu & Mennega) gerichtet; beim Zitieren von Zeitschriftentiteln folgten wir "B-P-H" (Botanico-Periodicum-Huntianum) und dessen Supplement; und für Autorzitate, Brummitt & Powells Authors of plant names (Royal Botanic Gardens, Kew, 1992). Der Zitierstil der Listen von "Names in Current Use" (NCU), so wie er dort erläutert ist (siehe in Regnum Veg. 126: 9-12. 1993) wurde durchweg befolgt. Für die zahllosen Nomenklaturzitate in den Anhängen war diese Standardisierung kein kleines Unterfangen. Zwar standen Einträge im neuen Stil schon für die meisten konservierten Familiennamen (aus Regnum Veg. 126) und Gattungsnamen (aus Regnum Veg. 129) zur Verfügung, doch die Texte für die nomina rejicienda mußten umformuliert werden. Paul Kirk vom International Mycological Institute in Egham besorgte die Standardisierung der Autorzitate für alle solche Namen, welche Ellen Farr von der Smithsonian Institution in Washington der Datenbank des Index nominum genericorum entnehmen konnte dies waren aber nur solche, welche in jener Datenbank ausdrücklich als "nom. rej." bezeichnet waren (vielleicht etwas mehr als die Hälfte). Norbert Kilian, Berlin, führte alle verbleibenden Standardisierungen im Rahmen eines IAPT-Werkvertrags von Hand aus. Brigitte Zimmer in Berlin führte umfangreiche Datenabgleichungen durch.
Das Aktualisieren der Anhänge II-IV beschränkte sich nicht auf Zusätze und Änderungen, die sich aus angenommenen Vorschlägen ergaben, sondern bedingte auch umfangreiche Überprüfungen bestehender Einträge, welche in vielen Fällen zu größeren redaktionellen Korrekturen führte. Diese Aufgabe wurde in Zusammenarbeit mit Fachleuten in deren Eigenschaft als Mitglieder des Herausgeber-Ausschusses oder als Sekretäre eines ständigen Nomenklatur-Ausschusses durchgeführt. Paul Silva kümmerte sich um die Einträge der Algen; Vincent Demoulin, unterstützt von Walter Gams, um jene der Pilze; Gea Zijlstra lieferte nicht nur die Ergänzungen für die Bryophyten sondern steuerte auch zahlreiche Aktualisierungen und Verbesserungen bei, welche sich aus ihrer Arbeit am Index nominum genericorum ergeben hatten; Dan Nicolson bereitete die Zusätze für die Pteridophyten und Samenpflanzen vor, zu welch letzteren Dick Brummitt zahllose sorgfältige Beiträge lieferte; und Bill Chaloner war für die fossilen Pflanzen verantwortlich. Die große und großzügige Hilfe von allen sei hier dankbar vermerkt.
Während der Index zum Anhang III, der aus dem Inhalt vollständig durch Computer generiert wurde, keine wesentlichen Änderungen erfuhr, wurde der Hauptindex völlig neu strukturiert und dabei zweigeteilt (wissenschaftliche Namen und Sachindex), im Bestreben, den Inhalt des Code für Botaniklehrer und -studenten wie auch für alle, die den Code regelmäßig anwenden, leichter zugänglich zu machen. Die vollständige Umstrukturierung und Neufassung, welche im Vergleich zu früheren Ausgaben hoffentlich als merkliche Verbesserung gesehen werden wird, war das Werk von Piers Trehane. Sie erwies sich als anspruchsvolle und anstrengende Aufgabe, für deren Wahrnehmung er unseren vollen Dank verdient.
Die Endredaktion des Gesamttextes, einschließlich der Anhänge und Register, wurde von Werner Greuter in engem Kontakt mit anderen Mitgliedern des Herausgeberausschusses besorgt. Diese Aufgabe wurde erleichtert durch neue Entwicklungen wie Faxübertragung und elektronischen Datenaustausch. Brigitte Zimmer verfertigte reprofähige Vorlagen des Textes und, unterstützt von Norbert Kilian, der Anhänge.
Nicht nur diejenigen, welche zur Produktion dieser neuen Auflage des Code beigetragen haben, dienen der botanischen Nomenklatur, sondern auch die zahllosen Botaniker in den ständigen Nomenklatur-Ausschüssen, welche zwischen den Kongressen dauernd in Funktion sind und hauptsächlich Vorschläge für die Konservierung und Verwerfung von Namen behandeln, sowie jene anderen, welche als Mitglieder von Sonderausschüssen Lösungen für Probleme prüfen und suchen, welche ihnen von der Nomenklatur-Sektion des Kongresses zugewiesen wurden. Es ist ein besonders bemerkenswerter Aspekt der botanischen Nomenklatur, daß eine große Zahl von Systematikern freiwillig derart effizient und unter so beträchtlichem Zeitaufwand zum kaum schätzbaren Nutzen ihrer Kollegen, welche auf den Gebrauch von Pflanzennamen angewiesen sind, arbeiten; der aufrichtige Dank aller dieser Benutzer sei ihnen hier versichert.
Letzten Endes wird aber die Nomenklatur der Pflanzen nicht von Ausschußbürokratie beherrscht, sondern in offener und demokratischer Weise durch die Gemeinschaft ihrer Benutzer, vertreten durch die eingeschriebenen Teilnehmer an den Internationalen Botanischen Kongressen. Der nutzergesteuerte Prozeß, durch welchen die Nomenklatur der Pflanzen gesteuert wird, ist außerordentlich wichtig für einen Code, welcher keine "Zähne" in der Art von Strafandrohung bei Mißachtung hat, sondern für seine weltweite Anwendung und Umsetzung völlig auf den Konsens seiner Benutzer angewiesen ist.
Der Internationale Code der Botanischen Nomenklatur wird deshalb unter der Oberaufsicht der Internationalen Botanischen Kongresse veröffentlicht. Der Tokio-Kongreß verabschiedete anläßlich seiner abschließenden Plenarsitzung folgende die Nomenklatur betreffende Resolution:
"Angesichts der großen Bedeutung eines stabilen Systems wissenschaftlicher Pflanzennamen für den Gebrauch in den reinen und angewandten Wissenschaften und in vielen weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft;
mit Befriedigung Kenntnis nehmend von den neuen, wichtigen Verbesserungen im Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur und von den fortdauernden Bestrebungen, neue Wege zur vermehrten Stabilität und Sicherheit in der Anwendung von Pflanzennamen zu finden;
fordert der XV Internationale Botanische Kongreß die Pflanzensystematiker auf, solange diese Bestrebungen andauern, die Verdrängung eingebürgerter Namen aus rein nomenklatorischen Gründen, sei es durch Wechsel in ihrer Anwendung, sei es durch die Wiederaufnahme längst vergessener Namen, zu vermeiden;
er beschließt, daß die Entscheidungen der Nomenklatur-Sektion, die den Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur betreffen, wie auch die Nominierungen der Funktionsträger und Mitglieder der Nomenklatur-Ausschüsse, welche diese Sektion anläßlich ihrer Sitzungen vom 22. bis zum 27. August vornahm, zu akzeptieren sind."
Diese Resolution geht weit über den traditionellen Akt des Ratifizierens von Nomenklaturbeschlüssen und Ausschußwahlen durch den Kongreß hinaus. Über die Internationale Union der Biologischen Wissenschaften, unter deren Autorität diese Kongresse stehen, fordert die Resolution die Pflanzensystematiker dazu auf, Vorreiter einer stabilen Nomenklatur zu werden. Rein nomenklatorisch bedingte Namensänderungen (im Gegensatz zu solchen, die sich aus geänderten taxonomischen Auffassungen ergeben und hoffentlich einen wissenschaftlichen Fortschritt widerspiegeln) sollen vermieden werden.
Heißt dies nun etwa, daß der vorliegende Code ein Dokument von geringer Bedeutung ist, dem man zuwiderhandeln darf, wann immer seine Anwendung zu Ergebnissen führt, welche (für manche) unangenehm sind? Sicherlich nicht. Der Code zeigt nun großzügige, neue Möglichkeiten auf, Namensänderungen dadurch zu vermeiden, daß Namen zur Konservierung oder Verwerfung vorgeschlagen werden, und diese Möglichkeiten sollen genutzt werden. Sollten sie nicht ausreichen, so muß man vielleicht in Zukunft weitere neue Bestimmungen formulieren und aufnehmen.
Der Code ist eine lebendige und anpassungsfähige Gesetzessammlung, und solange er fortfährt, sich im Einklang mit wechselnden Notwendigkeiten und neuen Herausforderungen zu entwickeln, wird er seine Autorität und Stärke behalten. Der Tokio-Code ist, wie wir glauben, ein bedeutsamer Meilenstein in diesem fortwährenden Anpassungsprozeß.
Mai 1994
Werner Greuter
John McNeill