Carl von Linné (1707-1778) nannte sie diejenigen, "die
im Verborgenen heiraten". Gemeint sind damit die Kryptogamen,
deren Fortpflanzungsorgane dem bloßen Auge verborgen sind.
Dieser Begriff wurde 1735 von Linné zur Bezeichnung der blütenlosen
Pflanzen, Algen, Pilze, Flechten, Moose und Farne eingeführt.
Ihnen stehen die Phanerogamen, die Blütenpflanzen gegenüber.
Allein unter den Algen finden wir eine beeindruckende Vielfalt, die
von mikroskopisch kleinen Organismen bis zu 50 Meter langen Seetangen
reicht. Dieser Vielfalt entspricht auch eine vielfältige
Forschung, die im Botanischen Museum Berlin-Dahlem über viele
Jahrzente durchgeführt wurde und wird. Sie wird im Folgenden an
zwei Beispielen vorgestellt:
Das Saprobiensystem von Kolkwitz und Marsson
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Präparatemappe
von M. Marsson. Diatomeen, um 1900 (Herbarium, BGBM). |
Nachdem bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts ausführliche
mikroskopische Studien des Wassers vorgenommen worden waren, begannen
R. Kolkwitz und M. Marsson um 1900 mit systematischen Untersuchungen
von Trink- und Abwasser für die Königliche Prüfungsanstalt
für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin. Sie
entwarfen Grundsätze für die biologische Beurteilung des
Wassers nach seiner Flora und Fauna, für eine "Ökologie
der Saprobien" , sowie Methoden und Instrumente zu deren
Nachweis. Das von ihnen aufgestellte Saprobiensystem dient auch heute
noch als Grundlage für die Untersuchung und Bewertung von Gewässern
in der Wasserwirtschaft sowie im Natur- und Umweltschutz.
Wo sich viele organische, zersetzungsfähige Substanzen im
Wasser finden, wird stets auch eine reichliche Entwicklung von
Organismen angetroffen, denen diese Stoffe als Nahrung dienen. Als
Saprobien bezeichnet man pflanzliche und tierische Abwasserorganismen,
die in ihrer Zusammensetzung für die Beurteilung der
Selbstreinigungskraft von Gewässern von Bedeutung sind. Hierzu
gehören Bakterien, Pilze, Algen sowie tierische Ein- und
Mehrzeller. Unter diesen finden sich typische sogenannte
Leitorganismen, welche die Stärke der Verunreinigung anzeigen und
für eine Klassifizierung der untersuchten Gewässer
herangezogen werden.
Die von Marsson gesammelten Proben und die daraus angefertigten
mikroskopischen Präparate befinden sich im Botanischen Museum
Berlin-Dahlem.
Dünnschichtchromatographie in der Flechtenforschung
Bei
den Flechten handelt es sich um zwei unabhängige Organismen, eine
Alge und einen Pilz, die in enger Lebensgemeinschaft, einer Symbiose,
leben. Beide sind zwar prinzipiell auch allein lebensfähig, ihre
charakteristische Form und ihre speziellen Eigenschaften erhalten sie
jedoch erst im Zusammenleben. Während der Pilz den Großteil
des Flechtenkörpers bildet, sind die Algen meist dicht unter der
Oberfläche eingelagert, um genug Licht für die Photosynthese
zu erhalten.
Im Umweltschutz wird die Bioindikation anhand von Flechten zur
Bestimmung der Luftverschmutzung eingesetzt. Viele Flechten reagieren
sehr empfindlich auf Luftverunreinigungen durch unterschiedlichste
Schadstoffe und ermöglichen so, aufgrund ihrer An- bzw.
Abwesenheit im entsprechenden Gebiet Rückschlüsse auf die
Luftqualität.
Flechten haben auch aufgrund ihrer oft geringen Größe,
weniger auffällige Unterscheidungsmerkmale als die Blütenpflanzen.
Ihre systematische Unterscheidung erfolgt daher zusätzlich
aufgrund von Inhaltsstoffen mit Hilfe der chromatographischen Analyse.
Foto links: Cladina dendroides (des Abb.)
Ahti. und Cladina confusa (Sant.) Folm. & Ahti. Gesammelt
von H. Sipman im Jahre 1990 am Cerro Guaiquinima, Venezuela
(Herbarium, BGBM).
Bei der chromatographischen Analyse werden zunächst die
Inhaltsstoffe der zu untersuchenden Flechte extrahiert und anschließend
am unteren Rand einer Chromatographieplatte aufgetragen. Die einzelnen
Stoffe werden aufgrund unterschiedlicher Fließgeschwindigkeiten
beim Durchtränken der Platte aufgetrennt. Jede Art besitzt ihr
spezifisches chemisches Muster, das sie eindeutig charakterisiert und
das auf der Chromatographieplatte abgebildet wird.
Mitarbeiter
der Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum
Berlin-Dahlem arbeiten innerhalb des internationalen Projektes `Flora
of the Guianas´ an der Erforschung der Flechtenflora von Guyana,
Surinam und Französisch Guyana. In den westlichen Gebirgsregionen
werden auf karg bewachsenen Sandsteinflächen Rentierflechten
angetroffen, die sich optisch nur in der Farbe unterscheiden. Die
chromatographische Analyse zeigt aber, daß bei den oben
abgebildeten Flechten zwei verschiedene chemische Muster und somit
zwei unterschiedliche Arten vorliegen.
Foto rechts: Dünnschicht-chromatographisch
getrennte Flechtenstoffe Cladina confusa (gelb markiert) und
C. dendroides (rot markiert). Flechtenstoffsammlung, BGBM. |