Als Ahmed Abd-er-Rassul endlich verhaftet werden konnte, war er trotz langer Verhöre nicht bereit, die Herkunft einiger Gegenstände zu offenbaren, die zwischen 1876 und 1879 im ägyptischen Kunsthandel aufgetaucht waren. Nach ergebnislosem Abbruch der offiziellen Untersuchungen entspann sich jedoch ein Streit unter den diebischen Gebrüdern Abd-er-Rassul, was zum Geständnis eines der Beteiligten führte. Dies trug mit dazu bei, daß der berühmte Botaniker und Afrikaforscher Georg Schweinfurth das große Glück hatte einen der spektakulärsten Funde der Ägyptologie während seines Kairo-Aufenthaltes 1881 miterleben zu können: Die Entdeckung des später sogenannten Königsmumien-Verstecks in Deir-el-Bahari bei Theben, die seinem Freund Gaston Maspero, dem Direktor der Altertümerverwaltung Ägyptens, geglückt war. Hier waren 40 Mumien aus königlichen Geschlechtern und Priesterfamilien, darunter die bedeutensten Pharaonen des Neuen Reichs, mit all ihren Grabbeigaben und ihrem Blumenschmuck vor den um sich greifenden Plünderungen der Grabräuber um 1 300 v. Chr. in einem Felsengrab versteckt worden. Abb. rechts: Mumie mit Blumengirlanden, in den äußeren Binden Blüten von Nymphaea caerulea (Blauer Lotus). Zeichnung von G. Schweinfurth. Schweinfurth selbst beschreibt dies folgendermaßen: "Dieser
großartige Gräberfund hat für die Kenntnis des
Kulturlebens der alten Ägypter eine besondere Bedeutung durch die
Fülle von natürlichem Blumenschmuck, der an den Mumien
angebracht war und der sich in so vollkommener Weise erhalten hat, daß
die botanische Untersuchung der dreitausendjährigen Blatt- und Blütenteile
nichts zu wünschen läßt."
Unter den Mumien von Deir-el-Bahari fanden sich unter anderen die Pharaonen Ahmose, Amenophis I., Sethos I. und sein berühmter Sohn Ramses II: (18. Und 19. Dynastie), sowie Nsi-Chonsu, eine Hohepriesterin aus der 21. Dynastie. Ihre Blumengirlanden gehören wohl zu den Schönsten, die aus Ägypten erhalten sind. Rot und blau leuchteten noch die Mohnblüten und die Kornblumen ihrer Totengebinde, als man ihren Sarkophag öffnete. Auf ihren Augenlidern, Mund, Nase und dem Mumifizierungsschnitt lagen schützend die Zwiebelschalen einer Lilienart (Crinum spec.). Fasziniert von der Vielfalt der Totengewinde, begann Schweinfurth diese Grabbeigaben zu sammeln und zu präparieren; anschließend bestimmte er die verwendeten Pflanzenarten, veröffentlichte seine Ergebnisse und legte so die Grundlage unseres Wissens über den botanischen "Bestattungspomp" in Ägypten. Dabei wird eine beachtliche Kontinuität ersichtlich: so finden sich Mumiengirlanden vom Neuen Reich (1552-1070 v. Chr.) bis in die römische Zeit (30 v. Chr.-395 n. Chr.).
Im Laufe der Jahrtausende änderten sich die Techniken der Blumenbinder immer wieder, ebenso die Auswahl an verwendeten Blumen. Griechen und Römer hatten aus ihren Heimatländern neue Pflanzen ins Land am Nil gebracht, darunter Rosen, Nelken, Majoran. Aus Indien wurde die Indische Lotusblume eingeführt, die zu einer beliebten Kranzblume avancierte. Von den Ägyptologen kaum beachtet, wären diese pflanzlichen Kostbarkeiten möglicherweise der Zerstörung anheimgefallen, hätte nicht Schweinfurth auf die immense kulturgeschichtliche Bedeutung dieser Grabbeigaben aufmerksam gemacht. Er bot den Ägyptologen mit seinen Untersuchungen eine ungeahnte Ergänzung ihrer Forschungen, die das Wissen über das tägliche Leben im Land der Pharaonen ungeheuer erweiterten. Sorgfältig in Schächtelchen verpackt und akribisch beschriftet übergab Schweinfurth in späteren Jahren seine Funde an mehrere Museen, die größte Zahl an das Botanische Museum Berlin-Dahlem, seine Berliner Wirkungsstätte. Glücklicherweise überlebte dieser Bestand unzerstört den zweiten Weltkrieg und zählt heute mit seinen zum Teil über 3000 Jahre alten Objekten zu den besonderen Schätzen dieser Sammlung, die in ihrer Art in Europa einmalig ist. |