Indianische Ureinwohner waren es, die als erste in die unberührten, jedes Jahr überschwemmten Regenwälder am Amazonas vordrangen. Als Sammler, Jäger und Fischer müssen sie schon bald auf die Riesenseerose Victoria amazonica gestoßen sein. Ihre Empfindungen dabei kennen wir nicht. Als viele Jahrtausende später Europäer die Mythen am Oberlauf des Amazonas aufzeichneten, fanden sie Märchen, in denen die tropischen Seerosen eine zentrale Rolle spielen. Die Indios nannten diese Pflanzen mururú oder irupé und müssen auch bald erkannt haben, daß ihre Wurzeln, Samen und Stängel essbar sind. Nach der Vernichtung der amerikanischen Hochkulturen und der Landnahme durch Europäer zählte das schwer zugängliche Amazonas-Tiefland zum portugiesischen bzw. spanischen Kolonialreich. In das Innere dieses riesigen Gebiets drangen aber nur wenige Missionare und europäische Siedler vor, so dass es keine frühen Berichte über Victoria amazonica gibt. Thaddaeus [Tadeá] Haenke gilt als der erste Naturforscher, der diese spektakuläre Pflanze beobachtet hat im Jahre 1801 im Gebiet des heutigen Staates Bolivien. Von Aimé Bonpland, dem früheren Reisegefährten von Alexander v. Humboldt, wird berichtet, er habe erstmals die nicht weniger auffällige Victoria cruziana gesehen im Jahre 1819 im äußersten Norden des damals bereits unabhängigen Argentinien. Allerdings fehlen von beiden Forschungsreisenden Herbarexemplare, Zeichnungen oder andere verläßliche Angaben.
Die erste sichere Nachricht über Victoria amazonica
stammt von einem jungen Arzt Dr. Eduard Poeppig. Von August
1831 bis März 1832 hielt er sich in dem Dorf Epa [Tépé]
am Amazonas im damaligen Königreich Brasilien auf und schrieb darüber
in seinem Reisebericht: Gar oft waren wir Tage lang abwesend,
und drangen . . . in weit entlegene Canäle ein, die keiner gern
besucht, da . . . zahlreiche Krokodile mit der furchtlosesten Kühnheit
den zerbrechlichen Kahn umgeben. Hier fand er Victoria
amazonica, die prächtigste Form der ganzen Familie,
keineswegs häufig, hielt sie durch eine genaue lateinische
Beschreibung in seinem Feldbuch fest, zeichnete sie im Maßstab
1:1 und trocknete davon Pflanzenteile. Kaum ins heimatliche Leipzig
zurückgekehrt, veröffentlichte Poeppig seinen Aufsehen
erregenden Fund. Er gab ihm den Namen Euryale amazonica und
ließ die Beschreibung in der in Erfurt erscheinenden Zeitschrift
Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde drucken.
Außer diesem Text hat sich leider nichts erhalten das
Herbarexemplar ist seit langem verschollen, die Zeichnung dürfte
im Zweiten Weltkrieg in Königsberg [Kaliningrad] zerstört
worden sein.
Der Wiener Kongreß hatte Großbritannien, Frankreich und
den Niederlanden Besitzrechte im nördlichen Amazonas-Tiefland
zugesprochen. Die britische Kolonie Guayana wurde Ziel von Robert
Schomburgk, der mit finanzieller Unterstützung der Royal
Geographical Society das weitgehend unbekannte Landesinnere erforschte
und in einem Brief vom 11. Mai 1837 erstmals von Victoria
amazonica berichtete, ihr aber mit Bezug auf Prinzessin
Victoria den Namen Nymphaea victoria gab. Seine nach
London geschickten getrockneten Blätter und Blüten wurden in
Windeseile zur Sensation. Bis heute dienen Holzpirogen Victoria-Forschern
als Transportmittel. |