W. G. Berendsohn, C. Häuser & K.-H. Lampe (1999) 
Biodiversitätsinformatik in Deutschland: Bestandsaufnahme und Perspektiven
Bonner Zoologische Monographien 45. Zool. Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn.


3. Existierende internationale Strukturen

3.1. Internationaler politischer Rahmen

Die Biodiversitätskonvention

Der globale politische Rahmen für die Biodiversitätsinformatik wird heute weitgehend vom Übereinkommen über die biologische Vielfalt (kurz "Biodiversitätskonvention", UN 1992) bestimmt. Die Global Environmental Facility (GEF) als der Finanzierungsmechanismus der Biodiversitätskonvention wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zusammen mit dem Umweltprogramm (UNEP) und der Weltbank verwaltet. Zugang zu den Mitteln haben Entwicklungsländer, Länder Mittel- und Osteuropas und GUS-Staaten. Deutschland trägt etwa 12% des Gesamtvolumens des Fonds (2 Mrd. US$ für 1995-97). Im Förderbereich Biodiversität wurden zwar bis 1997 bereits rund 450 Mio. US$ bereitgestellt (BMU 1998), eine direkte Finanzierung von dem Gebiet der Biodiversitätsinformatik zuzurechnenden Projekten fand dabei aber nicht statt. Viele der genehmigten Projekte haben aber eine Datenverwaltungskomponente.

Der Einfluss der Biodiversitätskonvention ist eher in der Verpflichtung zur Verwaltung und Bereitstellung von Biodiversitätsdaten zu sehen, wie sie sich aus mehreren Artikeln der Konvention und darauf beruhenden Beschlüssen der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) ergibt. Hierbei lassen sich zwei Komponenten unterscheiden: Einerseits kommt den Nationalen Beiträgen zum Clearing House Mechanism eine große Bedeutung zu, die die "wesentlichen Informationen mit entsprechenden Quellenangaben zum Stand der Umsetzung der Artikel der Konvention, ihrer Themen sowie den nationalen Rahmenbedingungen" im jeweiligen Staat dokumentieren sollen (siehe z.B. ZADI 1999). Es handelt sich hier also zumeist nicht um einen direkten Zugriff auf Biodiversitätsdaten, mit Ausnahme der Information über als "genetische Ressourcen" im Sinne der Konvention zu klassifizierende Lebendsammlungen (Kultursammlungen von Mikroorganismen, Botanische und Zoologische Gärten, Saatgut- und Sortensammlungen, Haustierrassen, etc.). Die zweite Komponente ist allgemeiner in der Bereitstellung von Informationen zur Biodiversität zu sehen, wobei der in der Konvention geforderte Technologietransfer (Nutzung von Biodiversitätsinformation oder von Komponenten der Biodiversität) zwar oft im Vordergrund steht, es aber auch und vor allem um die in den entwickelten Ländern vorhandenen Informationen und Ressourcen zur Inventarisierung und Charakterisierung der Biodiversität in anderen Weltteilen geht. Dabei handelt es sich vor allem um Informationen auf der Ebene der Organismen (siehe 1.1), also die von der systematischen Forschung erarbeiteten Ergebnisse und die in den Forschungssammlungen vorhandenen Belegexemplare, daneben aber auch um Forschungsergebnisse im Natur- und Artenschutz, in der Biogeographie und in der Ökologie (v. a. Tropenökologie).

Im abschließenden Bericht der 4. Konferenz der Vertragsstaaten wird erneut die Bedeutung der elektronischen Erfassung von Biodiversitätsinformation auf der Ebene der Organismen ausdrücklich hervorgehoben (COP 1998):

.. 6. Parties and authorities should utilize information systems to maximum effect in taxonomic institutions. In developing priority-setting criteria for information products, taxonomic institutions should consider the needs of the wide range of users of that information, including biological diversity managers. In particular, taxonomic information, literature and checklists should be put into electronic form.

... 9. Government members of the Organization for Economic Cooperation and Development should endorse and support the recommendations from the OECD Megascience Forum's Biodiversity Informatics Subgroup, regarding the development of a Global Biodiversity Information Facility (GBIF) to allow people in all countries to share biological diversity information and to provide access to critical authority files.

Weitere wichtige Abkommen und Konventionen

Neben der Biodiversitätskonvention sind internationale Übereinkommen zum Natur- und Artenschutz und Übereinkommen zur Erhaltung der genetischen Ressourcen zu nennen, für deren Umsetzung globale Netzwerke und Datenbanken ebenfalls immer mehr als essentielles Instrumentarium begriffen und eingesetzt werden. Auf Deutschland bezogen sind hier vor allem zu nennen:

Zum Natur- und Artenschutz: Konvention von Ramsar über die Erhaltung der Feuchtgebiete (UNESCO 1994), Konvention von Helsinki für das Ostseegebiet (HELCOM 1992), Konvention von Barcelona zum Schutz des Mittelmeers (UNEP 1976), EU Vogelschutzrichtlinie (EU 1979), Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Council of Europe 1979), Konvention über die Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (UNEP 1979), Alpenkonvention (Anonym 1991), die EU Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (EU 1992) und das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzabkommen, CITES 1973/1979).

Zur Erhaltung genetischer Ressourcen: EG Verordnung vom 20. Juni 1994 über die Erhaltung, Beschreibung, Sammlung und Nutzung der genetischen Ressourcen der Landwirtschaft (EU 1994).

Nächstes Kapitel


Inhalt | 1. Biodiversitätsinformation | 2. Biodiversitätsinformatik | 3. Internationale Strukturen: 3.1. Politischer Rahmen; 3.2. Umsetzung international, 3.3. Initiativen; 3.4. Standardisierung | 4. Strukturen in Deutschland: 4.1. Umsetzung internationaler Übereinkommen; 4.2. Umweltinformationssysteme; 4.3. Genetischen Ressourcen; 4.4. Gobale Biodiversität; 4.5. Zusammenfassung | 5. Strategie und Prioritäten: 5.1. National koordinierte Forschungsförderung; 5.2. Verbesserung der Infrastruktur; 5.3. Informationserschließung | Danksagung | Zitierte Literatur | Abkürzungen | Home


© Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn 2000. WWW-Ausgabe mit freundlicher Genehmigung des ZFMAK, © Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem 2000