Victoria in Berlin: Schöneberg Dahlem Berlin 1852 Wettlauf um eine Königin
Nach der erfolgreichen Erstkultivierung in England trat Victoria ihren Siegeszug durch die Gewächshäuser in Europa und den USA an. Auf dem Kontinent blühte die exotische Wasserpflanze erstmals 1850 in Gent bei Louis van Hutte, es folgten die Botanischen Gärten von Herrenhausen und Hamburg. Vierte Station war die preußische Hauptstadt Berlin. Hier wetteiferten der Königliche Botanische Garten in Schöneberg und der vermögende Maschinenfabrikant Friedrich August Borsig um die erste Blüte. Da die Bestimmung und die Ehre des Königlichen Botanischen Gartens es erheischt, daß derselbe auch die Cultur der Victoria regia [...] zur höchsten Vollkommenheit bringe, ließ Gartendirektor Prof. Alexander Braun im Mai 1852 auf dem Schöneberger Gelände ein beheizbares Gewächshaus für tropische Wasserpflanzen errichten. Die Entwürfe dazu stammten von seinem technischen und gärtnerischen Leiter Carl Friedrich Bouché (18091881). Dieser war ein besonderer Kenner und anerkannter Züchter exotischer Wasserpflanzen. Vermutlich brachte er von einer Reise nach Hamburg 1851 die ersten Samen von Victoria mit.
Friedrich August Borsig (18041854) ließ seine Konstrukteure bereits 1851 einen kreisrunden, kuppelförmigen Gewächshausbau aus Eisen und Glas entwickeln, der mit Warmwasser aus den benachbarten Fabriken gespeist wurde. Das freistehende Victoriahaus in seinem Moabiter Privatgarten entstand nicht allein aus gärtnerischem Ehrgeiz, sondern stellte zugleich einen technischen Prototypen dar. Von einem Kultivierungserfolg erhoffte sich Borsig auch öffentliche Aufmerksamkeit für die in seinen Fabriken hergestellten Treibhäuser, Fontänen- und Bewässerungsanlagen. Am 19. Juli 1852 entschied F. A. Borsig den Wettlauf um die erste Blüte für sich: seine Victoria amazonica blühte drei Tage vor dem Exemplar im Kgl. Botanischen Garten in Schöneberg. Als beide Kontrahenten ihren Erfolg in der Zeitung veröffentlichten, wurden sie von Besuchern regelrecht überrannt. Prof. A. Braun, Direktor des Kgl. Botanischen Gartens, dehnte angesichts von 5000 Besuchern täglich die Öffnungszeiten von einem auf fünf Werktage aus. Das Reglement blieb bis zum Wegzug des Gartens aus Schöneberg bestehen. Die Popularität von Victoria amazonica hatte eine stärkere Öffnung des Gartens gegenüber nichtwissenschaftlichem Publikum bewirkt. |