Victorias Pfleger Gärtner
und Heiztechniker
Das Wasserpflanzenhaus stellt so ziemlich den Höhepunkt dessen dar, was in der Pflanzenpflege in betreff der Temperatur und Luftfeuchtigkeit noch in Frage kommen kann. (A. Engler, Führer durch die Gewächshäuser, 1919) Victorias Kultur ist sehr personalintensiv und deshalb anfällig für Krisenzeiten. Der Publikumsliebling unter den tropischen Seerosen hat in Dahlem schwere Zeiten erlebt: Den Ersten Weltkrieg, als viele junge Gärtner zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Die Wirtschaftkrise der 20er Jahre, als Kohlenmangel und Massenentlassungen auch den Botanischen Garten erreichten. Schließlich die Bombardements im Zweiten Weltkrieg und den Mangel in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dass Victoria dennoch, abgesehen von der Unterbrechung zwischen 1943 und 1950, immer zum festen Bestandteil der Dahlemer Lebendsammlungen gehörte, ist dem individuellen Engagement der verantwortlichen Gärtner und Heiztechniker zu verdanken. Dabei haben sich Lebens- und Arbeitsbedingungen auch für Victorias Pfleger in den letzten 100 Jahren stark verändert.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war es üblich, dass die meisten Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz, auf dem Gelände des Gartens, wohnten. In den Gebäuden des Wirtschaftshofes befanden sich mehr als 20 Zimmer für die unverheirateten Gärtnergehilfen sowie Familienwohnungen für Obergärtner, Maschinisten und Pförtner. Noch in den 60er Jahren bewohnten sechs Gärtnergehilfen die spartanisch eingerichteten Junggesellenzimmer im heutigen Gästehaus des Gartens. Vor der Einführung des 8-Stunden-Arbeitstags im Revolutionsjahr 1919 arbeiteten Gärtner im Sommer von 618 Uhr, im Winter von 7 16.30 Uhr, sechs Tage in der Woche. Eine Ökonomiefrau kochte für die hier wohnenden Gärtner, Arbeiter und Heizer und wärmte den von außerhalb kommenden das mitgebrachte Essen auf. Männer und Frauen aßen stets in getrennten Speisezimmern. Bis heute ist der Victoriagärtner Teil einer seit 100 Jahren festgefügten Gärtnerhie-rarchie. Er/sie ist als Reviergärtner für das Sumpf- und Wasserpflanzenhaus zuständig und untersteht dem/der Gärtnermeister/in für den Revierkomplex der Warmhäuser. Als Spezialist ist er/sie für Vermehrung, Anzucht, Auspflanzung und Pflege der Riesenseerose und anderer tropischer Wasserpflanzen verantwort-lich. Zu seiner/ihrer Mannschaft gehören weitere Gärtnergehilfen. Traditionell werden in Dahlem die beiden Reinformen von Victoria gezeigt. Seit den 20er Jahren gab es jedoch auch immer wieder vereinzelte Versuche, Hybriden (Victoria imperialis, V. cruziana var. trickeri, V. amazonica x cruziana = cv. Longwood) zu kultivieren. Neben vielen anderen Sämereien, die hinsichtlich ihrer Herkunft genau dokumentiert sind, bietet die Dahlemer Samenstube anderen botanischen Gärten auch Samen von Victoria an. Umgekehrt bezieht der Garten bis heute frisches Samen- und Pflanzenmaterial über den Samentausch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Wesentlich stärker hat sich in den letzten 100 Jahren das Berufsbild der Heiztech-niker gewandelt. Seit 1907 wurde die Dampfzentrale im Kesselhaus (heute: Maschinenhaus) rund um die Uhr in wechselnden Schichten von vier bis fünf Heizern mit Kohle gefüttert. Noch in den 50er Jahren verbrauchte der Heizbetrieb in den Gewächshäusern rund 1500 t Steinkohle jährlich. 1965/66 wurde Kohle als Heizmaterial abgeschafft und durch eine zentrale Versorgung mit Fernwärme abgelöst, so dass die Überwachung und Wartung der Heizzentrale in den Mittelpunkt rückte. |