Sonderausstellung 2004 - Victoria & Co. in Berlin

Victoria in der Architektur: “Ridge and furrow”
Gesamtansicht des „Crystal Palace“, Farblithographie von 1851.
Das Innere des Crystal Palace, Farblithographie von 1851.

Mit der “Great Exhibition” von 1851 stellte das britische Empire seine industrielle, militärische und ökonomische Übermacht eindrucksvoll zur Schau. Mehr als 6 Millionen Besucher bestaunten im Londoner Hyde Park über 13.000 Exponate aus Kolonien und Protektoraten rund um den Globus. Eine Ausstellungshalle aus Gusseisen und Glas, der sogenannte “Crystal Palace”, war dafür in weniger als 6 Monaten aus vorfabrizierten Modulen aufgebaut worden. Joseph Paxton, Erstkultivator von Victoria in England, hatte das Gebäude mit dem charakteristisch gefalteten, frei schwebenden Glasdach in nur zehn Tagen entworfen. Die Konstruktion des Daches war sein eigenes Patent: Den Innenraum überspannten lange Träger aus Walzstahl, auf denen gläserne Satteldächer parallel angeordnet waren. In den Furchen dazwischen verliefen Rinnen zum Ablaufen des Wassers. Als Vorbild für diese neuartige horizontale Dachkonstruktion, deren Elemente sich auch serienmäßig herstellen ließen, diente das Blatt von Victoria.

Konstruktionsprinzip des Blattes von Victoria. Zeichnung von B. Kresling.

Joseph Paxton entwickelte das “ridge and furrow”-Dach, als er 1850 ein Spezialgewächshaus für Victoria auf dem Landsitz Chatsworth in Devonshire erbauen ließ. Ein Dach mit Graten (“ridges”) und Furchen (“furrows”) garantierte günstigeren Lichteinfall in den Morgen- und Abendstunden. Vorstufen hatte der begabte Gewächshausarchitekt bereits am großen Pflanzenhaus von Chatsworth 1836–40 ausprobiert. Alle statischen Probleme konnte Paxton jedoch erst lösen, nachdem er das Konstruktionsprinzip des Blattes von Victoria intensiv untersucht und verstanden hatte.

Analogien zwischen Paxtons Dach und einem Blatt von Victoria sind auf den ersten Blick schwer zu entdecken, da die eine Struktur rechtwinklig und die andere kreisförmig ist. Aus statischer Sicht sind jedoch mehrere Elemente vergleichbar. Tragbalken sorgen genauso wie radiale Blattrippen für Stabilität. Zusätzliche Steifigkeit bekommt das Blatt durch kreisförmig zwischen den Blattrippen angeordnete Zwischenstege. Diese Funktion übernehmen bei Paxtons Entwurf die im rechten Winkel zu den Tragbalken angeordneten Regenrinnen. Das Glasdach entspricht der Blattspreite. Und während der Regen bei Victoria über Löcher abgestorbener Zellen in der Blattspreite abfließt, leitet Paxtons Dach Regenwasser und Konsenswasser über die sogenannten „Paxton-Rinnen“ ab.

“Ridge and furrow”: Detail mit der „Paxton-Rinne“.

Victoria & Co. in Berlin / Weiter >>>

Seite drucken
© Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Freie Universität Berlin
Seitenverantwortliche, Stand (diese Seite): 08. January 2007
http://