Sonderausstellung 2004 - Victoria & Co. in Berlin

Vom Amazonas nach Leipzig und London

Thaddaeus [Tadeáš] Haenke (1761 – 1812)

Indianische Ureinwohner waren es, die als erste in die unberührten, jedes Jahr überschwemmten Regenwälder am Amazonas vordrangen. Als Sammler, Jäger und Fischer müssen sie schon bald auf die Riesenseerose Victoria amazonica gestoßen sein. Ihre Empfindungen dabei kennen wir nicht. Als viele Jahrtausende später Europäer die Mythen am Oberlauf des Amazonas aufzeichneten, fanden sie Märchen, in denen die tropischen Seerosen eine zentrale Rolle spielen. Die Indios nannten diese Pflanzen „mururú“ oder „irupé“ und müssen auch bald erkannt haben, daß ihre Wurzeln, Samen und Stängel essbar sind.

Nach der Vernichtung der amerikanischen Hochkulturen und der Landnahme durch Europäer zählte das schwer zugängliche Amazonas-Tiefland zum portugiesischen bzw. spanischen Kolonialreich. In das Innere dieses riesigen Gebiets drangen aber nur wenige Missionare und europäische Siedler vor, so dass es keine frühen Berichte über Victoria amazonica gibt. Thaddaeus [Tadeáš] Haenke gilt als der erste Naturforscher, der diese spektakuläre Pflanze beobachtet hat – im Jahre 1801 im Gebiet des heutigen Staates Bolivien. Von Aimé Bonpland, dem früheren Reisegefährten von Alexander v. Humboldt, wird berichtet, er habe erstmals die nicht weniger auffällige Victoria cruziana gesehen – im Jahre 1819 im äußersten Norden des damals bereits unabhängigen Argentinien. Allerdings fehlen von beiden Forschungsreisenden Herbarexemplare, Zeichnungen oder andere verläßliche Angaben.

Aimé Bonpland (1773 – 1858)

Die erste sichere Nachricht über Victoria amazonica stammt von einem jungen Arzt – Dr. Eduard Poeppig. Von August 1831 bis März 1832 hielt er sich in dem Dorf Epa [Tépé] am Amazonas im damaligen Königreich Brasilien auf und schrieb darüber in seinem Reisebericht: „Gar oft waren wir Tage lang abwesend, und drangen . . . in weit entlegene Canäle ein, die keiner gern besucht, da . . . zahlreiche Krokodile mit der furchtlosesten Kühnheit den zerbrechlichen Kahn umgeben“. Hier fand er Victoria amazonica, „die prächtigste Form der ganzen Familie, keineswegs häufig“, hielt sie durch eine genaue lateinische Beschreibung in seinem Feldbuch fest, zeichnete sie im Maßstab 1:1 und trocknete davon Pflanzenteile. Kaum ins heimatliche Leipzig zurückgekehrt, veröffentlichte Poeppig seinen Aufsehen erregenden Fund. Er gab ihm den Namen Euryale amazonica und ließ die Beschreibung in der in Erfurt erscheinenden Zeitschrift „Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde“ drucken. Außer diesem Text hat sich leider nichts erhalten – das Herbarexemplar ist seit langem verschollen, die Zeichnung dürfte im Zweiten Weltkrieg in Königsberg [Kaliningrad] zerstört worden sein.

Eduard Poeppig (1797 – 1868)

Der Wiener Kongreß hatte Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden Besitzrechte im nördlichen Amazonas-Tiefland zugesprochen. Die britische Kolonie Guayana wurde Ziel von Robert Schomburgk, der mit finanzieller Unterstützung der Royal Geographical Society das weitgehend unbekannte Landesinnere erforschte und in einem Brief vom 11. Mai 1837 erstmals von Victoria amazonica berichtete, ihr aber – mit Bezug auf Prinzessin Victoria – den Namen Nymphaea victoria gab. Seine nach London geschickten getrockneten Blätter und Blüten wurden in Windeseile zur Sensation.

Bis heute dienen Holzpirogen Victoria-Forschern als Transportmittel.

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Seitenverantwortliche, Stand (diese Seite): 08. January 2007
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